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Klassiker mit geringer Laufleistung: Investition oder Groschengrab?

Autorenbild: Maja HofmannMaja Hofmann



Der Charme von Oldtimern ist unbestreitbar – ganz besonders dann, wenn ein Fahrzeug Jahrzehnte überdauert hat und dabei nahezu keine Kilometer gefahren wurde. Der Markt zeigt immer wieder, wie beeindruckend die Preise für diese "Zeitkapseln" sein können. Doch ist es wirklich so einfach, einen Oldtimer mit minimalem Kilometerstand zu kaufen und ohne Sorgen in die Garage zu stellen? Schauen wir genauer hin.


Rekordpreise für ultra-niedrige Laufleistung

Ein Paradebeispiel für den Boom auf diesem Markt ist, laut Hagerty, der Honda S2000 CR, der 2022 mit nur 123 Meilen auf dem Tacho für unglaubliche 205.000 US-Dollar versteigert wurde. Das entspricht dem Doppelten seines damaligen Höchstwerts im Hagerty Preisführer.


Ein weiteres Beispiel: Ein Nissan Sentra SE-R mit 445 Meilen wechselte für 33.500 US-Dollar den Besitzer – fast dreimal so viel wie das bisherige Rekordniveau für dieses Modell. Doch diese Rekordpreise sind nur die halbe Wahrheit. Denn was passiert mit einem Fahrzeug, das Jahrzehnte lang kaum bewegt wurde?


Das Problem mit dem Stillstand

Fahrzeuge, die selten oder gar nicht bewegt wurden, weisen oft unerwartete und nicht direkt sichtbare Schwachstellen auf. Das liegt daran, dass sie nicht nur unter Abnutzung, sondern auch unter dem Zahn der Zeit leiden. Nicht umsonst gibt es den Ausspruch "der steht sich tot".


Beispielsweise können folgende Probleme auftreten:


  • Dichtungen und Schläuche: Gummi härtet aus und wird spröde, was zu Undichtigkeiten führt.

  • Flüssigkeiten: Öl, Kühl- und Bremsflüssigkeit können altern und ihre Eigenschaften verlieren.

  • Kraftstoffsystem: Alter Kraftstoff kann Gummikomponenten beschädigen und zu Ablagerungen führen, die die Einspritzanlage oder den Vergaser beeinträchtigen.

  • Reifen: Auch wenn sie optisch neuwertig erscheinen, können sie durch Alterung Risse entwickeln, was die Fahrsicherheit gefährdet.

  • Elektrik: Kontakte korrodieren, und Batterien verlieren an Leistung.


Nicht alle Fahrzeuge mit niedriger Laufleistung sind daher automatisch Scheunenfunde.


Was von einigen Klassiker Besitzern gut gemeint ist, kann sich auf lange Sicht in das genaue Gegenteil umkehren. "Ich fahre mein Fahrzeug wenn es hochkommt 100 Kilometer im Jahr - vielleicht mal Sonntags kurz zum Eis essen. Ich will ja damit keine Kilometer schrubben."


Diese oder ähnliche Sätze hören wir bei uns in der Werkstatt nicht selten. Klar, wer sich einen gepflegten (hochpreisigen) Klassiker zugelegt hat, vielleicht sogar den Kindheitstraum damit erfüllt, der will nicht, dass Steinschläge, Kratzer oder sonstige Abnutzungen das Auto strapazieren.


Hier liegt aber der Hase im Pfeffer. Autos sind Maschinen auf Rädern, dass heisst, sie MÜSSEN gefahren werden. Selbst wenn ein Fahrzeug nicht gefahren wird, sollte der Motor regelmäßig gestartet und für mindestens 30 Minuten betrieben werden, damit das Öl zirkulieren und das Kühlsystem seine Aufgabe erfüllen kann.


Kurzes Starten und direktes Abstellen richtet mehr Schaden an als gar nichts zu tun, da die Zylinder in diesem Fall trocken laufen. Ohne ausreichende Schmierung und regelmäßige Bewegung können noch dazu Feuchtigkeit und Säuren im Inneren des Motors zu Korrosion führen – und das schleichend.


Stellen wir uns nun vor, ein Fahrzeug verbleibt über 20 oder 30 Jahre im Stillstand, vielleicht in einer Scheune, vielleicht in einer Garage. Nun steht es zum Verkauf und der potentielle Interessent möchte überprüfen, ob der Motor läuft und/oder das Getriebe schaltet. Katasthrophe!


Eine übereilte Inbetriebnahme kann schwerwiegende Schäden verursachen. Wenn die Zylinder trocken oder durch Kondensation leicht korrodiert sind, kann ein einziger Start mehr Schaden anrichten, als ein Jahrzehnt normaler Nutzung. Bevor also der Schlüssel gedreht wird, sollten alle Systeme gründlich überprüft werden – von der Kraftstoffanlage über Bremsen bis hin zur Elektronik.


Die Wiederbelebung eines solchen Reptils erfordert eine systematische Herangehensweise und oft die Unterstützung eines Fachmanns, der sich mit dem spezifischen Modell auskennt. Es ist ein Prozess, der Zeit und Hingabe verlangt.


Selbst bei optimaler Lagerung in einer klimatisierten Umgebung ist regelmäßige Wartung entscheidend. Fahrzeuge, die über Jahrzehnte stillgelegt wurden, benötigen oft umfassende Arbeiten: von der Reinigung der Kraftstoffeinheit, über die Überholung der Einspritzsysteme oder Vergaser. Langfristig ist der beste Schutz für ein Fahrzeug, es regelmäßig zu bewegen – sei es auf kurzen Fahrten oder im Rahmen von Wartungsrunden.


Vor dem Kauf: Genau hinsehen lohnt sich

Ein niedriger Kilometerstand ist zwar verlockend, sagt jedoch nur wenig über den tatsächlichen Zustand eines Fahrzeugs aus. Hier ist Detektivarbeit gefragt: Welche Geschichte hat das Auto? Wo und wie wurde es gelagert? Wurde es regelmäßig gewartet? Falls das Fahrzeug oft den Besitzer gewechselt hat, lohnt es sich, den Eigentümer ausfindig zu machen, der das Auto am längsten besessen hat.


Ein gründlicher Check ist unverzichtbar – idealerweise mit einem Fachmann, der sich mit dem Modell auskennt. Die Faustregel lautet: Auch wenn du nicht planst, das Auto regelmäßig zu fahren, sollten Lagerung und Wartung höchste Priorität haben. Wenn jedoch der Wunsch besteht, ein lange gehegtes Traumauto nicht nur zu besitzen, sondern auch zu fahren, dann ist ein Modell, das regelmäßig bewegt wurde, oft die bessere Wahl.


Beispielhaft ist hier das Revs Institute - ein Automuseum historischer Fahrzeuge. Die meisten ihrer über 120 Fahrzeuge werden regelmäßig bewegt – sei es auf einer 50-Meilen-Runde für Straßenfahrzeuge oder auf Rennstrecken für historische Rennwagen. Diese Praxis zeigt, dass ein Gleichgewicht aus sorgfältiger Pflege und aktiver Nutzung entscheidend ist, um Fahrzeuge in gutem Zustand zu halten.


Respekt vor dem Alter eines Fahrzeugs sowie Know-How für die Technik sind entscheidend, um es für die Zukunft zu bewahren. Der beste Weg, einen Klassiker am Leben zu halten, ist jedoch denkbar einfach: Fahre ihn!


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